Bericht von Mathias aus El Talar

Freiwilligendienst im Indianerprojekt "El Talar"

Das Abenteuer beginnt!

Der erste Halt meiner Reise heißt Salta. In der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz unterstützt AYUDA e.V. den Kinderhort Changuito Diós. Dort angekommen umringt mich schnell eine Schar unglaublich herzlicher Kinder. Ich schaue in lachende Gesichter und fühle mich sofort willkommen. In den kommende Tagen beschäftige ich mich viel mit den Kindern, spiele mit ihnen Fußball, versuche mich als Englischlehrer und unterstütze Victor Tissera bei seiner Arbeit als Koordinator vor Ort. Wir organisieren vor allem Lebensmittel für den Hort, welche von gemeinnützigen Tafeln zur Verfügung gestellt werden. Zudem kaufen wir eine Bandsäge, welche von AYUDA e.V. finanziert und für das Projekt in El Talar benötigt wird. 

Nächster Halt: El Talar

Nach einem dreitägigen Aufenthalt in Salta bringt mich Victor samt der Bandsäge nach El Talar, wo ich die nächsten zwei Monate verbringen werde. Das kleine, verschlafene Dörfchen liegt im Flachland von Jujuy, eine Provinz, welche im Norden an Bolivien und im Westen an Chile grenzt. Die Bevölkerung hier besteht vor allem aus Mestizen und Nachkommen indigener Gruppen. El Talar selbst ist vor allem durch die Guarani geprägt, welche neben dem Norden Argentiniens, Teile Boliviens, Brasiliens und vor allem Paraguay ihre Heimat nennen. 

Das Engagement von AYUDA e.V. in El Talar begann mit dem Bau einer Begegnungsstätte, was in Zusammenarbeit mit der Asamblea del Pueblo Guarani (Indigenenrat) geschah und wo heute Alphabetisierungskurse für geistig-benachteiligte Dorfbewohner angeboten werden. AYUDA e.V. unterstützt in El Talar zudem seit 2005 das Schreinereiprojekt Carpinteria Artesanal, was derzeit von Anibal, einem Sozialarbeiter, Künstler und Nachfahre der Guarani, geleitet wird. Neben Anibal finanziert AYUDA e.V. noch einen weiteren Pädagogen namens Nicolas, welcher auf Holzarbeiten spezialisiert ist und vor allem mit den älteren Jugendlichen und Erwachsenen arbeitet.

Eine typische Woche in der Schreinerei Carpinteria Artesanal:

Morgens gegen 8 Uhr treffen Anibal und ich uns in der Schreinerei. Der Tag beginnt mit einem kräftigen Mate-Tee, das vor allem für Argentinien typische Aufgussgetränk, welches im traditionellen Mate-Becher serviert wird. Anschließend bringen wir die Schreinerei auf Vordermann, fegen den in El Talar allgegenwärtigen Staub auf und bereiten die Projekte für die Kinder vor. Montags nachmittags findet der Unterricht von Nicolas statt. Dabei versammeln sich etwa 10 kunstinteressierte Erwachsene zum Schnitzen, Schleifen und Pinseln. Unter Anleitung von Nicolas versuche auch ich mich am Erstellen von Holzarbeiten und präsentiere meiner Gruppe schlussendlich eine nicht allzu perfekte, aber dennoch mit Herzblut erschaffene Garderobenvorrichtung.

Dienstags und donnerstags führen Anibal und ich Regie in der Schreinerei. Vormittags erhält der turno mañana (Vormittagsklasse) und nachmittags der turno tarde (Nachmittagsklasse) Unterricht in Kulturkunde und verschiedenen Handwerksarbeiten. Dazu versammeln sich jeweils etwa 10 bis 15 Kinder im Alter von 8 bis 12 Jahren in der kleinen aber feinen Schreinerei. Um auch die geistige Bildung der Kinder zu forcieren, gibt Anibal den Kindern Unterricht in Guarani und erläutert Bräuche der Kultur seiner Vorfahren. Hierzu erstelle ich in Zusammenarbeit mit Anibal Wissensspiele, um die Inhalte leichter verständlich zu machen und um ein nachhaltiges Lernen zu ermöglichen. Des Weiteren gebe ich den Kindern Deutschunterricht. Ein gar nicht so leichtes, aber dennoch höchst unterhaltsames Unterfangen. Die äußerst wissbegierigen Schüler haben großen Spaß an der für sie völlig fremden Aussprache des Deutschen. Schnell prägen sich die Kinder einzelne Vokabeln wie „Guten Tag“, „Wie geht’s?“ und „Dankeschön“ ein und grüßen mich fortan stets auf deutsch. 

Nach Erfüllung des Bildungsauftrags widmen wir uns anschließend dem praktischen Teil des Unterrichts. Es wird geschnitzt, gemalt und viel gelacht. Während meiner Zeit in El Talar wird u.a. ein Pelikan aus Holz gebastelt. Dabei benutzt Anibal zunächst die aus Salta mitgebrachte Bandsäge und schnitzt die Grundform des Pelikans. Die Schüler schleifen anschließend die Holzstücke zurecht. Zum Schluss werden die nun fertigen Rohlinge noch entsprechend bemalt. Anibal steht den Schülern stets unterstützend zur Seite und beantwortet geduldig Fragen zur richtigen Ausführung. Jede Unterrichtseinheit wird mit einer Spielrunde abgeschlossen. Dabei werden unter meiner Anleitung verschiedene Ball- und Quizspiele ausgetestet. Die sehr lebendigen und teils auch rebellischen Kinder stellen einen dabei allerdings auch immer wieder vor Herausforderungen. So gibt es beim Fußball auch mal hitzige Diskussionen, ob der Ball nun hinter der Linie war oder nicht. Typisch argentinisches Temperament eben!

Neben dem Unterricht für die Kinder und die Erwachsenen werden mittwochs, donnerstags und freitags Töpferkurse angeboten, welche für alle Dorfbewohner zugänglich sind. Diese werden von zwei externen Lehrern geleitet und erfreuen sich äußerster Beliebtheit. Die dabei entstehenden Werke finden oftmals ihren Weg in Kunstausstellungen und werden verkauft. Die Einnahmen werden wiederum dem Projekt zur Verfügung gestellt. 

In unserer Freizeit widmen Anibal und ich uns vor allem der Vorbereitung der im September anstehenden Feiertage zu Ehren der Schüler und Kinder. So denken wir uns Spiele für den día de los niños (Tag der Kinder) und den día de los estudiantes (Tag der Schüler) aus, organisieren den Ablauf und bereiten eine Zeremonie zu Ehren der Guarani-Kultur vor. Des Weiteren unterstütze ich, sofern es die Zeit zulässt, die eingangs erwähnten Alphabetisierungskurse. Hierbei überlege ich mir kleinere Spiele, welche zum Ziel haben, die Allgemeinbildung der Teilnehmer zu erweitern. 

Fazit: Definitiv weiterzuempfehlen!

Ich hatte das große Glück, bei Anibals Eltern im Haus leben zu dürfen. Selten habe ich eine solch herzliche und wertschätzende Familie kennengelernt. Aber nicht nur meine Gastfamilie, sondern auch die anderen Dorfbewohner haben dafür gesorgt, dass ich mich stets wohl und willkommen gefühlt habe. Fast täglich wird man irgendwo zum Essen oder Mate-Tee-Trinken eingeladen. Alle wollen mich, den Gast aus dem fremden Deutschland, kennenlernen und Fragen zu meiner Heimat beantwortet wissen. Großes Highlight dieser Zusammenkünfte sind die wöchentlichen asados, die für Argentinien typischen Grillfeste, wo neben reichlich Fleisch auch eine Menge Rotwein und Quilmes, das beliebteste Bier des Landes, auf dem Tisch landen. 

Des Weiteren empfehle ich jedem zukünftigen Freiwilligen eine Reise zur beeindruckenden Quebrada de Humahuaca. Dabei handelt es sich um eine Schlucht, die sich von der Stadt San Salvador de Jujuy bis hoch nach Humahuaca ins Andenvorland zieht. In der dortigen Stadt haben Anibal und ich an einer Indigenenkonferenz teilgenommen. Bei dieser haben sich Produzenten indigener Produkte getroffen. Ziel dabei war es ein Zertifikat zu erstellen, welches indigene Produkte kennzeichnet und schützt. Außerdem rate ich, am Guarani-Unterricht der Gemeinde in Calilegua, einem etwa eine Stunde entfernten Städtchen, teilzunehmen. Neben Kulturkunde wird dort vor allem auch die Sprache der Guarani gelehrt. Puama, kïraipa rëi? heißt zum Beispiel „Guten Tag, wie geht es dir?“. Und für die Liebenden unter uns: Roagu tuicha chronkonko, was mit „Ich liebe dich, mein Schatz“ übersetzt werden kann. 

Insgesamt war ich knapp zwei Monate im wunderschönen Argentinien. Ich hatte eine unvergessliche Zeit in einem wirklich spannenden Projekt, was nicht zuletzt deshalb von enormer Wichtigkeit ist, weil Anibal neben handwerklichen Kenntnissen auch eine wichtige Rolle in der Vermittlung von Bildung und Erziehung inne hat. So lehrt Anibal den Kindern, welche in der Regel aus sozialschwachen Familien stammen, wichtige Werte wie Disziplin, Fleiß und Respekt.

Wem die Arbeit mit Kindern Spaß macht, kann ich einen Aufenthalt in El Talar nur wärmstens empfehlen. Die Schüler sind unglaublich herzlich und mir sehr ans Herz gewachsen. Danken möchte ich vor allem Anibal, meiner Gastfamilie und AYUDA e.V., die mir die Chance gegeben haben, diese unvergesslichen Erfahrungen zu machen. Aguyje i Ayema! (Vielen Dank und bis bald!)

Eckdaten

Ort:El Talar / Provinz Jujuy 
Jahr:2014
Dauer:7 Wochen
Freiwilliger:Mathias Sch.